Theorie und Praxis evangelischer Erwachsenenbildung

von: 
Günther Dichatschek

Einrichtungen  und Organisation der evangelischen Erwachsenenbildung(EBB) müssen in einer sich ständig ändernden Gesellschaft bestehen können. Dies gilt ebenso für die Erwachsenenbildung in Betrieben, Verwaltungen,  dem Öffentlichen Dienst  und anderer sozialen Gruppierungen wie Gewerkschaft, Parteien und Kirchen.

Für die Erwachsenenbildung liegt in der Unterstützung von Institutionen und Organisationen im Profit- und Non-Profit-Bereich ein interessantes und aktuelles Aufgabengebiet. Erforderlich ist jedenfalls ist eine Steigerung des allgemeinen und speziellen pädagogischen Wissens. Daniel Goeudeverts Aussage, Ausbildung ohne Bildung führt zu Wissen ohne Gewissen, unterstreicht den Wert des Erkenntnisstandes der Erziehungswissenschaften in diesem Bereich.

1  Einleitende Bemerkungen

Erwachsenenbildung(EB) stellt Theorie und Praxis vor besondere und auch andere Herausforderungen:

  • Die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden ist eine Beziehung zwischen Mündigen. Es gibt keine Erziehung, die AdressatenInnen sind TeilnehmerInnen.
  • Es geht also um Bildung, Qualifikationen und auch um den Erwerb von Kompetenzen.
  • Die Organisation der EB ist pluralistisch,  es geht um das Bestehen am Bildungsmarkt. Den gesetzlichen Rahmen regelt der Staat.
  • In rechtlicher Hinsicht ist Kirche mit ihrem Angebot der EB ein Anbieter unter vielen, es gibt also Konkurrenz auf dem Bildungsmarkt.
  • Für die Evangelische Kirche – eine auf Mündigkeit aller Gläubigen aufbauende reformatorische Kirche -  ergeben sich zudem drei  besondere Aufgabenstellungen:
  • Theologie fordert Mission
  • Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft fordert Mündigkeit und der
  • Bildungsmarkt fordert Konkurrenz.

In dem interdisziplinären Fachbereich von Theologie, Erziehungswissenschaft und  Betriebswirtschaft  geht es um die Herausforderung der jeweiligen Situation(Situationsanalyse), die Darstellung veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen(Gesellschaftsanalyse) und den sich ändernden Wirtschaftsrahmen(Wirtschaftsanalyse) sowie  um Ziele und Zielkonflikte im angesprochenen Verhältnis der drei Fachbereiche(Lernzielanalyse). Gefordert ist demnach

  •  eine theoretische Abklärung  der klassischen und modernen Theorien der Organisation und der Veränderungen auf ihre Brauchbarkeit hin
  • die Besonderheit einer kirchlichen Organisation - man denke gerade an die EBB in Tirol -  mit ihren spezifischen Merkmalen und
  • Ergebnisse, die zu pragmatischen Entwicklungsperspektiven  führen.

Ein wichtiges Ergebnis ist die Erfahrung, dass EBB in Zukunft höherer Bedeutung beizumessen sein wird. „Vielleicht liegt die Zukunft der Volkskirche unter Bedingungen der Globalisierung, der Transkulturalität, der Transreligiosität und damit zugleich im Zeitalter lebenslangen Lernens und lebenslanger Bildung gerade in neuen öffentlichen Schnittstellen zwischen Kirche und Gesellschaft?“(SCHRÖER 2004, 10). Mit dieser Thematik sind ohne Zweifel äußerst komplexe Fragen gestellt.

2  Grundsätzliche Überlegungen zur EBB

Die folgenden Überlegungen des Autors beziehen sich auf eine jahrzehntelange Tätigkeit als Berufspädagoge an der Universität Wien und mehrjährige Mitarbeit in der Bildungskommission der Synodalausschüsse  der Evangelischen Kirche A. und H.B. .

Die angenommene Veränderung der EEB wird  in drei Bereichen behandelt:

  • EBB heute
  • Veränderungen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und
  • Ziele und Zielkonflikte EBB

Evangelische Erwachsenenbildung heute

EEB ist neben den Volkshochschulen, der EB der Gewerkschaft und des Katholischen Bildungswerks sowie anderer großer Bildungsträger  der Sozialpartner – Ländliches Fortbildungsinstitut/LFI, Wirtschaftsförderungsinstitut/WIFI und Berufsförderungsinstitut/bfi – ein Bestandteil des „quartären Bildungssektors“. In Österreich betrifft dies Evangelische  Bildungswerke, das Bildungswerk der Evangelischen Frauenarbeit  und Evangelische Akademien.  Im Zentrum des Interesses geht es um die Mitwirkung von Kirchen in der öffentlichen Erwachsenenbildung. 

Eine Bildung Erwachsener in der Kirche hat lange Tradition. Man denke etwa an

  •  das „Erwachsenenkatechumenat“ der frühen Christen zur Vorbereitung auf die Erwachsenentaufe
  • die alltagsbezogene Bildungsfunktion der Klöster im Mittelalter
  • die pietistische Bewegung zur Aufhebung der Unterschiede zwischen Laien und theologischer Gelehrsamkeit durch Bildung und
  • die Bemühungen zur „Inneren Mission“ des Proletariats in den Wichern’schen  Anstalten im 19. Jahrhundert.

In der allgemeinen Volksbildungsbewegung beteiligten sich zwei Strömungen in der Evangelischen Kirche Deutschland(EKD):

  • Der „Kulturprotestantismus“ mit seinen Bemühungen zur Überwindung der Kluft zwischen kirchlichen Positionen und  aktueller geistiger Strömungen und
  • die Vertreter des religiösen Sozialismus. Diese waren in den 20er Jahren jene, „die das reformpädagogische Anliegen einer ‚freien’, sich in ‚Arbeitsgemeinschaften’ realisierenden Erwachsenenbildung aufgriffen“(EKD 1997, 31).

Zu den wesentlichen Aufgabenstellungen kirchlicher EB zählten in Deutschland die Gründung christlicher Heim-Volkshochschulen  mit gemeinsamem Lernen und Arbeiten  und die Verschiedenartigkeit evangelischen Vereinslebens. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Gründung Evangelischer Akademien als „Orte des theologischen weltoffenen Gesprächs, als Drehscheibe zwischen ‚Kirche und Welt’, als ‚dritter Ort’  ein wesentlicher Beitrag für eine Aktivierung der EEB nach der NS-Zeit“(EKD 1997, 33). Die Bildungsreform der 60er Jahre und des Trägerpluralismus schuf die Voraussetzung für heutige institutionelle und pädagogische Bemühungen und Angebote.

Der gemeinsame inhaltliche Auftrag zeigt sich in Österreich auf nationaler Ebene nur in den Institutionen der Evangelischen Bildungswerke und Evangelischen Akademien. Die Evangelische Kirche in Österreich A. und H.B.(EKiÖ) betrachtet institutionell die EEB aus gesamtkirchlicher Perspektive in Form der „Bildungskommmission der Synodalausschüsse der EKiÖ A. und H.B.“(vgl. dazu die 50. KUNDMACHUNGEN DES EVANGELISCHEN OBERKIRCHENRATES A. UND H.B., Zl. 2630/97 vom 24. März 1997: Kommission für Bildungsarbeit/Arbeitsauftrag der Bildungskommission). Zudem gibt es die „Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke/AEBW“ mit Sitz an der Evangelischen Akademie Wien.

Geht man von den Stellungnahmen  der Institutionen der EEB aus, ergibt sich ein dreifaches Profil:

  • Kirche nimmt in Form EEB einen Teil ihrer gesamtgesellschaftlichen Bildungsverantwortung wahr, als Träger in öffentlichen Bildungsangeboten.
  • Zum reformatorischen Gedankengut gehört es, den Bezug zur Öffentlichkeit herzustellen, weil eine Stärkung individueller Verantwortungsmöglichkeiten auf politische Erfordernisse zukünftiger gesellschaftlicher Entwicklungen zur Teilnahme an den Erfordernissen des alltäglichen Gesellschaftslebens – bereits bei Luther – einen zentralen Aspekt darstellt(vgl. AHLHEIM 1985, 38: „Gott will’s nicht haben, dass geborene Könige, Fürsten, Herren und Adel sollen allein regieren und Herren sein. Er will auch seine Bettler dabei haben….Sein Handwerk ist, aus Bettlern Herren machen, gleich wie er aus nichts alle Dinge macht.“).
  • Neben dem öffentlichen Bildungsauftrag ist Lebensweltorientierung wesentlich. „Glaube“ und „Leben“ sind die beiden Zentralbegriffe.  Glaubensaussagen – vor allem biblisch fundiert – und Lebensprobleme/Herausforderungen unserer Zeit stehen im Mittelpunkt. Eine Bewegung vom Evangelium zum Leben und Bewegung vom Leben zum Evangelium  soll ineinander greifen.

Seit den 70ger Jahren gibt es zwei fundamentale gesellschaftliche Neuerungen gesellschaftlicher Bildungsmitverantwortung:

  • weltanschauliche Offenheit und
  • Orientierung an der Lebenswelt der TeilnehmerInnen.

Aspekte beruflicher Bildung wurden in die Bildungspläne aufgenommen(Änderungen am Arbeitsmarkt, Nachfrage an Qualifikationen und dem Weiterbildungsangebot). EEB unter Einbeziehung von  Qualifikationslernen und Weiterbildung mit theologischem, politischen und lebensweltorientierten Bildungsaspekten  wurde in der Folge gleichwertiges Qualifikations- und Identitätslernen(Berufsbildung > Persönlichkeitsbildung  >> Schlüsselqualifikationen; vgl. DICHATSCHEK/PIRRINGER-GROLL 2004, 49-57).

In der theologischen Profilierung der EEB geht man von den Alltagsbedürfnissen der TeilnehmerInnen aus. Im Vordergrund stehen weniger die Vermittlung von Glaubensinhalten oder die Auseinandersetzung mit der Bibel, vielmehr geht es um ethische Orientierung. Leitbegriff der EEB ist die gesellschaftliche Verständigung.

 Nach ANHELM(1988) findet EEB in

  • Gemeinden
  • Gesellschaft und
  • „neuen Laienbewegungen“ statt. NIPKOW(1991) sieht hier eine Veränderung des Verständnisses von EB, sie „vollzieht sich hier in Initiativen und Gruppen und damit in weit weniger durchorganisierter und institutionalisierter Form“(NIPKOW 1991, 76). Dies verlange eine Durchlässigkeit kirchlicher und gesellschaftlicher Bildungsinstitutionen gegenüber einer flexiblen und vernetzten Umwelt.

Demnach benötigt EEB

  • Professionalisierungsprozesse und Weiterbildungsmaßnahmen der MitarbeiterInnen(vgl. EVANGELISCHE ARBEITSSTELLE FERNSTUDIUM FÜR KIRCHLICHE DIENSTE/FERNSTUDIUM EKD „Grundkurs Erwachsenenbildung“ 1998/2001;  LENZ 2005, 45-48 und 51-57; SEIVERTH 2002, 475-488;  JÜTTING 1992;  von Interesse ist in diesem Zusammenhang das Fehlen EBB bei LENZ 2005, 31).
  • Profitbildung des Programmangebots und
  • Verbesserung der Ressourcennutzung mit Qualitätssicherung durch Kooperationen in Form von Erfahrungsaustausch, gemeinsamem Marketing und gegenseitiger Beratung in Verwaltung und Programmplanung.

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Zu den zentralen Veränderungen unserer demokratischen Gesellschaft gehört die Transformation der Arbeitsgesellschaft:

  • Die Bedeutung immaterieller Arbeit wächst. Freiwilligkeit/Ehrenamtlichkeit gewinnt an Bedeutung und ist im kirchlichen Bereich, bei aller Schwäche der Organisation und Stärke der Bedeutung und Vielfalt von Kompetenzen,  nicht wegzudenken.
  • Die subjektiven Interessen der Arbeitenden gewinnen an Bedeutung.
  • Die Arbeitsverhältnisse werden zunehmend dereguliert, damit die Arbeitskräfte flexibler eingesetzt werden(können).
  • Die klassische Form der Berufstätigkeit löst sich auf, die Bedeutung beruflicher Orientierung i.w.S. nimmt damit ab. SCHMIDT(2000, 59) fasst diese Entwicklung mit der Formel zusammen:
  • vom Produkt zum Projekt,
  • von der Erledigung zum Erfolg und
  • vom Schweiß zum Adrenalin.

Die bisherigen  Formen von Arbeit – fixer Arbeitsplatz, Arbeitszeitregelungen, Sozialansprüche, Tariflöhne – verändern sich  zu anderen Formen – Telearbeit, mobiler Arbeitsplatz, virtuelle Büros – und damit zu einer verschärften Ökonomisierung mit einer Reihe von wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten. Es ist davon auszugehen, dass künftige ArbeitnehmerInnen  voraussichtlich mehrere Arbeitstätigkeiten in mehreren Berufen auszuüben haben(Berufsausbildung > Startberuf > Folgeberufe >> ggf. Umschulungen bzw. Weiterbildungsmaßnahmen mit geänderten Arbeits- und Berufsbedingungen). Arbeitsunterbrechungen – bei Frauen im hohen Ausmaß bereits lange schon eine gesellschaftliche Realität  – werden keine Ausnahmen sein.

Dies hat auf Bildungseinrichtungen Konsequenzen:

  • Zunächst wird ihre Rolle aufgewertet, weil Bildungsmaßnahmen künftig verstärkt notwendig sein werden(„lebensbegleitendes Lernen“/EU - Lissabon 2001). Dieses Lernen soll, so die EU-Forderung, für unterschiedliche Arbeitsmöglichkeiten fit halten,  also in verlängerter erwerbsarbeitszeitfreier Zeit auf neue Beschäftigungsfelder vorbereiten.
  • Bildung wird als Dienstleistung auf einem „Bildungsmarkt“ verstanden. Ökonomische, inhaltliche und methodische Konkurrenz ist vorhanden.
  • Gefragt und gefordert ist – durch Pluralisierung der Arbeitsformen und Berufsbilder, Individualisierung von Arbeitsbedingungen und geringe Halbwertzeiten berufsspezifischen Wissens – eine berufliche Grundbildung.
  • Bildungseinrichtungen verändern sich durch neue Arbeitsmodelle, flexible Arbeits- und Lernformen.

Für die Kirche bedeutet dies:

  • einen Rückgang im  Kirchenbeitragsaufkommen
  • veränderte Wünsche ihrer Mitglieder bei Leistungen und Angeboten der Kirche
  • unverbindlichere Formen in der Mitarbeit von Ehrenamtlichen und
  • einen hohen Säkularisierungsgrad > vom kirchlichen Duopol(protestantisch – katholisch) zu multireligiöser Landschaft. Insgesamt wandert die Religiosität der Bevölkerung aus den Kirchen ab. Sie führt ein „vagabundierendes Eigenleben“(HUBER 1998; vgl. SCHRÖER 2004, 24).

In einer multikonfessionellen und multireligiösen Situation hat sich Kirche in ihrer missionarischen Aufgabe/Bedeutung neu zu positionieren. Nicht zu vergessen sind mögliche Organisationsprobleme/-krisen – besonders in der Diaspora -  und unterschätzte Anpassungsnotwendigkeiten an die Situation der EU(vgl. HUBER 1998, 223).

Das Organisationsprinzip der Kirche ist ein flächendeckendes, das in der parochialen Gemeindeorganisation ihren Ausdruck findet. Zusätzlich gibt es funktionale Einrichtungen und Dienste/Werke. Die Kirchenleitung verbindet Elemente personaler geistlicher Leitung, behördlicher Zuständigkeiten und synodaler Repräsentation. Flächendeckende Versorgung ist schwer finanzierbar, die Parochien sehen sich großer Herausforderungen gegenüber(man denke an die vermehrte Gründung von Gemeindeverbänden). Reformbedarf wird zunehmend beim Verhältnis von gemeindlichen und übergemeindlichen Aufgaben  festgestellt. Erschwerend ist der hohe bürokratische Aufwand  von betroffenen Gremien, der Entscheidungsprozesse verlangsamt.

Für kirchliche Bildungseinrichtungen gilt verstärkte Aufmerksamkeit auf ökonomische Notwendigkeiten:

  • Einsetzung der vorhandenen Mittel,
  • geringer Personalstand mit Ehrenamtlichkeit in Führungs- und Gemeindearbeit,
  • moderne Personalentwicklung und
  • zeitgemäße Antworten auf eine  Orientierungskrise > „kulturelle Diakonie“(vgl. HUBER 1998, 295).

Neben diesen Kennzeichen und Notwendigkeiten stellt sich das Problem der Qualitätssicherung. Anzustreben ist im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Anbieter in der EB  eine Zertifizierungsmöglichkeit.

Problembedarf besteht ebenso in den Kompetenzanforderungen, den Tätigkeitsprofilen der EB, den verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen und unklaren Qualifikationsvoraussetzungen beim Personal.

Ziele und Zielkonflikte

Aus dem historisch-gesellschaftlich-theologischen Zusammenhang ergibt sich eine besondere Begründung für EEB. Haben Schulen eine selbstverständliche gesellschaftliche Legitimation, ist  in der EEB die Zielsetzung vorrangig theologisch und dann erst pädagogisch. Betriebwirtschaftliche Überlegungen spielen seit der zunehmenden Ökonomisierung in den 90ger Jahren eine Rolle.

Der Jubiläumsband zum vierzigjährigen Bestehen der „Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung“ spricht daher auch  Aspekte wie Professionalisierungsstrategien, Organisationsentwicklung und Bildungsmarketing an (SEIVERTH 2002, 11-20). Nicht zu übersehen ist die Aufgabe EEB in der Politischen  Bildung(vgl. SEIVERTH 2002, 389-474; BEER-CREMER-MASSING 1999).

Theologische Ziele gehören zum Selbstverständnis EEB. Die Theorie der EEB wird als „[…]innerhalb der Praktischen Theologie(als einen) Teil einer übergreifenden Theorie kirchlicher Bildungsverantwortung, die die Handlungsfelder in Kirche und Gesellschaft umfasst, sich nach leitenden theologischen und pädagogischen Kriterien kohärent und einheitlich unbeschadet innerer Differenzierung begründet, Glaubensinterpretationen und Bildungskriterien grundsätzlich aufeinander bezieht und als wissenschaftliche Theorie hermeneutisch-kritisch einer immer schon theoretischen Praxis aufklärend und handlungsorientiert……..“ beschrieben(NIPKOW 1991, 80). Entsprechend unterscheidet sich EEB von anderen kirchlichen Praxisformen wie der Wortverkündigung, Seelsorge, Mission und Liturgie.

Trotz der Weite des inhaltlichen Angebots und ihrer Breite – Individuum, Gesellschaft und Kirche – gibt es einen Kernauftrag: EEB ist theologische EB. Basis ist die theologisch orientierte christliche Elementarbildung, die  bei zunehmender Entkirchlichung der Bevölkerung und einem mitunter unklaren protestantischen Glaubensverständnis eine dringende Notwendigkeit  geworden ist.

Somit sind Konzepte für neue Zugangsmöglichkeiten notwendig geworden. Zunehmend gibt es differenzierte Erwartungen an Religion und Kirche. Jedenfalls nimmt der „traditionelle Kirchenchrist“ ab. Hier wird anzusetzen sein. Unterschieden wird bei den Kirchenmitglieder in „Humanisten“(Pflege des kulturellen Erbes), „Alltagschristen“(Übereinstimmung von Wort und Tat), „Anspruchsvollen“(Individualität der Glaubensvorstellung und Gottesbildes) und „Jugendlichen“(Lust und Spontaneität – Distanz und Kritik).

Drei pragmatische Konsequenzen sind zu ziehen(vgl. SCHRÖER 2004, 39):

  • EEB versteht sich als Zugang für Kirchendistanzierte. Bildung findet außerhalb tradierter Formen der Arbeit der Kerngemeinde statt.
  • Andere Methoden und Konzepte bilden eine Herausforderung.
  • Theologische Themen sind dem Lernmilieu der TeilnehmerInnen  entsprechend  aufzuarbeiten.

3  Ausblick

Vergleicht man Institutionen der EEB, erkennt man die Veränderungen der Organisation durch kirchlich-theologische, pädagogische und betriebswirtschaftliche Perspektiven. Planung, Effektivität, inhaltliche Profilierung, öffentlicher Bildungsauftrag, orientierende Funktion der Angebote und eine vermittelnde Funktion an der Nahtstelle Kirche-Gesellschaft sind wesentliche Aufgabenstellungen.

Die Gestaltung des Lernunterstützungssystems, die Professionalisierung der MitarbeiterInnen und die Weiterentwicklung der Organisation sind weitere Aufgaben, wobei die aktuelle Ökonomisierung hemmend auf innovative Bemühungen in EEB wirkt.

Der interdisziplinäre Ansatz geht von einer bildungswissenschaftlichen Perspektive aus. Dies zeigt sich darin, dass Lern- und Bildungsprozesse die Einzelbiographie betreffen, weshalb  Erwachsenenbildung gefordert ist.

EEB betrifft die vier Gesellschaftsbereiche  Kirche,  Bildungswesen,  Bildungsmarkt und Öffentlichkeit/Gesellschaft. EEB berücksichtigt alle vier Felder, entsprechend sind die Anforderungen an eine solche EB groß.  Im Falle des „Evangelischen Bildungswerks  in Tirol“ sind Personalmangel  – verbunden mit Ehrenamtlichkeit in der Leitungs- und MitarbeiterInnenebene -  und beschränkte Budgetmittel sowie die langjährige Inaktivität in der EEB eine besondere Herausforderung.

Faktoren eines organisatorischen Wandels in der EEB sind die drei Säulen Personal -  Verwaltung - Programm, getragen von Theologie - Planung -Betriebswirtschaft - Erziehungswissenschaft/EB - Raumkonzeption. Kirche –Bildungsmarkt - Öffentlichkeit/Gesellschaft - Bildungswesen ergeben das Profil der Einrichtung „EEB“.

Für die EEB stellt die Europäisierung und Internationalisierung mit der angestrebten Harmonisierung der Bildungssysteme eine zusätzliche  Herausforderung dar. Es geht um die Anerkennung von Bildungsabschlüssen. EU-Bildungsprogramme fordern neue Bildungselemente in Europa ein. Für das EEB gelten solche Europainitiativen besonders. Ebenso gilt dies auch für internationale ökumenische Aktivitäten,  können sie doch auf dieser Ebene praktiziert werden und Motivation für weitere Bemühungen ergeben. Damit kann auch EEB die Zukunft von Kirche stärken.

Internethinweise

www.ebw-tirol.info

www.sichtbar-evangelisch.at

www.evang.at/akademie

www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Erwachsenenbildung

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Zum Autor:

Lehrbeauftragter am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien/Berufspädagogik bzw. Aus- und Weiterbildung/Vorberufliche Bildung (1990-2011), Mitglied der Bildungskommission der Synodalausschüsse der Evangelischen Kirche A. und H.B. (2000-2012), stv. Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerks in Tirol/ EBiT (2004-2009), dzt. Bildungsbeirat im EBiT und Delegierter in der AEBW. 

AEBW – Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in Österreich, Schwarzspanierstrasse 13, A-1090 Wien