Ehrenamtlichkeit in der Erwachsenenbildung

von: 
Günther Dichatschek

Will man die Ehrenamtlichkeit bzw. Freiwilligkeit in ihrem Wirkungskreis erhöhen, sollte man die Organisationsstruktur neu ausrichten. Es bedarf eines Freiwilligenmanagements in der Erwachsenenbildung, damit es zu gesellschaftlichen  Aktivitäten kommen kann. Ziel ist eine lebendige Zivilgesellschaft mit Motivation und Engagement.

Der Workshop „Ehrenamt - Freiwilligenarbeit/Freiwilligenkoordination“ der Arbeitsgemeinschaft Ehrenamt des Rings Österreichischer Bildungswerke(22. – 23. April 2013/Wien) mit der Teilnahme des „Evangelischen Bildungswerks in Tirol“ zeigt an, dass in Fortsetzung des „Internationalen Jahres der Freiwilligen“(2001), des „Jahres der Ehrenamtlichkeit“(2011/Evangelische Kirche Österreich) und des Workshop-Diskurses anlässlich des Festaktes „40 Jahre Konferenz der Erwachsenenbildung Österreich – 5 Jahre Weiterbildungsakademie “/Strobl(2012)  zur Freiwilligkeit/Ehrenamtlichkeit in der Erwachsenenbildung die Diskussion um Strukturen und Rahmenbedingungen für eine Förderung des freiwilligen Engagements weiterhin zu führen ist.

Notwendigkeit von besseren Förderstrukturen

Es bestehen gewisse Förderstrukturen,  etwa Fortbildungen, Konferenzen, Tagungen, Workshops und Publikationen, trotzdem ist die Thematik noch nicht im Mainstream angekommen.[1] Zivilgesellschaftliches Engagement als Ausdruck von Freiwilligkeit/Ehrenamtlichkeit ist wenig verbreitet. Zwar spricht das Zahlenmaterial von Engagement – man denke an Freiwillige Feuerwehren, Musikkapellen, Sportvereine, Büchereien, Kulturvereine und soziale Hilfsorganisationen – aber im Bereich von Bildungswerken[2] als Organisationen und Systemen mit einem spezifischen Auftrag fehlen Interessierte. Erwachsenenbildung als kirchliche Bildungsarbeit mit der Vermittlung eines  theologischen Fundaments  im Kontext eines erwachsenenpädagogischen Auftrages von Alltags- und Lebensorientierung, Kulturarbeit, Politischer Bildung  und zunehmender Bedeutung von  Interkultureller Bildung verfügt über wenig Engagierte. Insbesondere in Diasporagebieten gibt es Nachwuchsprobleme in einem gesellschaftlich wichtigen Lern- und Handlungsfeld, das es auszubauen gilt.

Als Grundlage für Fördermaßnahmen gilt ein Freiwilligenmanagement  mit entsprechenden Rahmenbedingungen, Gewinn von Fachlichkeit und Möglichkeiten der Mitgestaltung und Mitbestimmung.

Freiwilligenmanagement

Freiwilligenmanagement ist Planung, Organisation, Koordination,  Kooperation, Evaluation und Vernetzung von freiwilligem Engagement. In Bildungswerken als Institutionen einer „Evangelischer Erwachsenenbildung“ findet dies in organisierter Form statt,  auf Grund des staatlichen Vereinsgesetzes, kirchlicher Ordnung und einer gesamtösterreichischen erwachsenenpädagogischen Vernetzung. Zu vermerken ist die Verbindung von staatlichem Vereinsgesetz und kirchlicher Ordnung, weil hier zwei rechtliche Zuständigkeiten -  mit erhöhtem verwaltungstechnischem Aufwand  - auftreten. 

Ziel ist eine nach der schulischen und erstberuflichen Ausbildung notwendige Förderung von Wissen, Fertigkeiten, Haltungen,  Erfahrungen und Kompetenzen. Für ehrenamtlich Engagierte bietet sich die Chance, ihren Eigeninteressen nachzugehen,  sich weiter zu qualifizieren, Sinn und Wert in einem Engagement zu finden, Interessierte kennen zu lernen und  sich einbringen zu können.  Damit ergeben sich Anforderungen an

Ehrenamtliche/Freiwillige wie eine Abgrenzung von Freiwilligenarbeit von der Tätigkeit Haupt- und Nebenberuflicher, der Kooperation zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen, Unterstützungssystemen, Qualifizierungsangeboten und einer Anerkennungskultur.

All dies ist ausbaufähig, wie dies das  Beispiel von Evangelischen  Bildungswerken in Verbindung  mit der „Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in  Österreich“  zeigt. Als gesamtösterreichische Dachorganisation mit der Mitgliedschaft im „Ring Österreichischer Bildungswerke“ ist eine zeitgemäße Struktur mit Präsenz und Mitarbeit  in der allgemeinen Erwachsenenbildung, Freiwilligenmanagement, Mitarbeiterfortbildung/-weiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit und eine entsprechende Positionierung in der Evangelischen Kirche anzustreben.

Zielvoraussetzungen – Ziele

In der Regel fehlt eine Ausrichtung von Zielvoraussetzungen und Zielen bei diesem Engagement. In diesem Zusammenhang erkennt man einen Strukturwandel des Ehrenamtes im Sinne einer Gemeinwohlorientierung[3].

Leitbilder mit notwendigen Ergänzungen, Förderung von Rahmenbedingungen, Qualitätskriterien und die Zuweisung von Aufgabengebieten zeigen an,  dass freiwilliges Engagement weder umsonst noch kostenlos ist. Engagementförderung bedarf klarer Strukturierung und ist als Prozess und keinesfalls als starres System zu verstehen.

Ein solcher Prozess beginnt  mit einer Bedarfseinschätzung,  Aufgabenentwicklung, Gewinnung von Interessierten,  Gesprächen, Phasen der Ausbildung bzw. Einarbeitung und Begleitung. Evaluation und Wertschätzung vervollständigen ein Freiwilligenengagement/ Ehrenamt. Anzustreben ist ein passendes System von Förderung und Aufstiegsmöglichkeiten sowie Persönlichkeitsentwicklung. Anregungen, Austausch und Bewertung sind notwendige ergänzende Elemente. Nationale und EU- Netzwerkbildungen sind anzustreben.[4]

Reflexion des Workshops

In einem Workshop arbeiten in der Regel gleichberechtigte und gleichkompetente Fachleute in einer begrenzten Zeitspanne an einer gemeinsamen Fragestellung. In diesem Workshop ging es um die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Freiwilligenmanagement. Unabhängig von der Notwendigkeit zeigen sich Grenzen im Zeitbudget und in einer  Ausbildung, besonders für verantwortungsvolle Tätigkeiten. Die Notwendigkeit und Bedeutung einer internen und externen Anerkennung für freiwillige Tätigkeiten wird deutlich, weil es um öffentliche Bildungsarbeit in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext  geht.

Kompliziert ist die Aus-, Fort- und ggf. Weiterbildung, weil im Regelfall nur kurzfristige Aktivitäten angenommen werden und entsprechende Bildungsangebote zeitlich und finanziell auf Schwierigkeiten stoßen. Für die Erwachsenenbildung mit den Möglichkeiten an der „Weiterbildungsakademie Österreich“[5] erscheint eine entsprechende Personal- und Finanzausstattung überlegenswert. Am Beispiel einzelner Bundesländer zeigt es sich, dass kostengünstige Lehrgänge für die Erwachsenenbildung auch regional angeboten werden. Dies könnte durchaus auch für eine interne Fortbildung Ehrenamtlicher/Freiwilliger nützlich und  anerkannt werden.

Zum Freiwilligenmanagement gehören bestimmte Aufgaben. Ziele müssen definiert sein, Leitbilder müssen Aussagen zur Bedeutung von freiwilligem Engagement enthalten. Das Engagement sollte Entfaltungsmöglichkeiten anbieten können.  Dazu und zu Inhalten - deren Umsetzung und Rahmenbedingungen -  bedarf es umfassender Informationen. Professionelle Regelungen ergänzen ein sinnvolles Engagement. Fachliche Begleitung und Unterstützung müssen entsprechen. Die Verbindung von Arbeiten und Lernen sollte gefördert  werden. Entsprechende Qualifizierungsangebote sind eine wesentliche Form der Anerkennung. Plädiert wird für qualifizierte Nachweise, die möglicherweise für ein berufliches Fortkommen genutzt werden können.

Anerkennung der Tätigkeit erkennt man – unabhängig von  Zertifikaten, Urkunden und dem notwendigen Gemeinschaftserlebnis -  auch an einem externen Engagement in kultureller und gesamtgesellschaftlicher  Beteiligung. Diese Form einer öffentlichen Aktivität gilt als ideale Form von zivilgesellschaftlichem Engagement und einer gesamtgesellschaftlichen Anerkennung. Regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit dokumentiert zudem ein Engagement.

Engagierten sollte ein umfassendes Handlungs- und Lernfeld angeboten werden - für persönliche Entwicklung, den Erwerb von Fachkompetenz und die Einübung in öffentlichem Engagement.[6]

Eine Einführung für Interessierte und die Begleitung mit Unterstützungsmaßnahmen sollte Aufgabe eines Freiwilligkeitskoordinators sein. Ein so verstandenes Freiwilligenmanagement mit gesamtgesellschaftlichem Engagement stärkt evangelische Erwachsenenbildung, die Zivilgesellschaft und kann Interessierten als Vorbild für ein künftiges Engagement dienen.

Zusammenfassung: Der verwendete Ausdruck „Ehrenamtlichkeit“ bezeichnet freiwilliges Engagement, Freiwilligenarbeit und zivilgesellschaftliche Aktivitäten. Betont werden in der Erwachsenenbildung das erwachsenenpädagogische Engagement und die mitbestimmende Dimension. Zur Umsetzung bedarf es eines Freiwilligenmanagements mit Planung, Organisation, Koordination, Bewertung und Vernetzung. Dies sollte die Aufgabe des Freiwilligenkoordinators bilden. Evangelische Erwachsenenbildung benötigt effiziente Strukturen, zielgerichtete finanzielle und personelle Ressourcen, klare Rahmenbedingungen, Fort- und Weiterbildung, Begleitung, Mitsprache und interne und externe Anerkennungskultur. Der Wert von theologischer Basisbildung im Kontext von Alltags- und Lebensorientierung  - verstärkt verbunden mit Politischer Bildung, Kulturbildung und zunehmend wichtig werdender Interkultureller Kompetenz -  auf der Grundlage der Erwachsenenpädagogik bedarf verstärkter Impulse. Mit einem erhöhten verwaltungstechnischen Aufwand  ergibt sich  die Verbindung von staatlichem Vereinsrecht und kirchlicher Ordnung. Vernetzungsarbeit gehört national und  im EU-Kontext  zur Erwachsenenpädagogik.

Zum Autor: Dr. Günther Dichatschek MSc ist Mitglied des Bildungsbeirates des Evangelischen Bildungswerks in Tirol,  war Mitglied der Bildungskommission der EKiÖ(2000-2012) und Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft der Universität Wien/Berufspädagogik - Aus- und Weiterbildung(1990-2011) - Absolvent des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/Universität Salzburg-Klagenfurt(Master), des 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/Universität Salzburg(Diplom) und der Weiterbildungsakademie Österreich/Wien(Diplom).

Mail to: dichatschek@kitz.net

[1] vgl. Reifenhäuser C.-Hoffmann S.G.-Kegel T.(2009): Freiwilligen-Management, Augsburg

[2] vgl. Dichatschek G.(2005): Theorie und Praxis evangelischer Erwachsenenbildung, in: AMT und GEMEINDE, Heft 7/8, 126-130

[3] vgl. Beher K.-Liebig R.-Rauschenbach T.(2000): Strukturwandel des Ehrenamtes – Gemeinwohlorientierung im Modernisierungsprozess, Weinheim

[4] vgl. beispielhaft das Netzwerk gegen Gewalt > www.netzwerkgegengewalt.org  > Index: Erwachsenenbildung, Migration, Politische Bildung, Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenenbildung, Interkulturelle Kompetenz, Erziehung,  Gewaltprävention in der Erziehung, Netzbasiertes Lernen und Vorberufliche Bildung

[5] vgl. Weiterbildungsakademie Österreich > www.wba.or.at  > Curriculum

[6] vgl. Knoll J.(2003): Etwas bewegen  wollen -Lernunterstützung für ehrenamtliche Vereinsarbeit, Berlin

AEBW – Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in Österreich, Schwarzspanierstrasse 13, A-1090 Wien